Oh schön! Auf geht´s nach Dresden…

...dachte sicher so mancher, als es bereits vor geraumer Zeit hieß, dass der Werkstättentag 2016 in Sachsen stattfinden würde. Man sah sich gedanklich schon vorbeispazieren an den wunderschönen Sehenswürdigkeiten, die es im weltbekannten „Elbflorenz“ gibt. Denkt man an Dresden, hat man sofort Bilder der Frauenkirche, der Semperoper oder von den Anlagen im Zwinger uvm. im Kopf, alles in der Nähe zu den herrlichen Elbterrassen.

 

Wohl fast jede/r, die/der nicht aus Sachsen kommt, staunte nicht schlecht und legte die Stirn in Falten, als es plötzlich und wider Erwarten hieß:

 

„Werkstätten:Tag 2016“ – Chemnitz, 20.-22.09.2016

 

Hat sich die Bundesarbeitsgemeinschaft etwa verdruckt, fragten sich wohl viele, die teilnehmen wollten – so auch wir, die Vertretung der Greifenwerkstatt (darunter Werkstatträte, Gruppensprecher und Sozialpädagogen). Schnell fanden wir aber heraus: Nein, die BAG hat sich nicht vertan, der diesjährige Werkstättentag sollte tatsächlich in Chemnitz stattfinden.

 

Als wir dann noch bei der Organisation und Planung der Fahrt feststellten, dass Chemnitz nur sehr schwer und langwierig mit dem Zug zu erreichen ist, egal aus welcher Himmelsrichtung und Region Deutschlands auch immer man anreisen mag, wurde das Erstaunen nur noch größer. So entschieden wir uns schlussendlich, besser doch mit dem Kleinbus anzureisen.

 

Als äußerst offen sowie ehrlich und somit sympathisch empfanden wir es, dass sogleich im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung - nach der furiosen, musikalischen Eröffnung durch „Power Percussion“ - die beschriebenen Gedanken vieler Anwesenden u. a. durch den Moderator Florian Schroeder und durch Martin Berg, Vorstandsvorsitzender der BAG WfbM sowie die Bürgermeisterin der Stadt Chemnitz Barbara Ludwig aufgegriffen wurden. So erfuhren wir prompt, wieso die Wahl auf Chemnitz und bewusst nicht auf Dresden fiel. Dies wurde mit dem besonderen Engagement im Hinblick auf die Belange von Menschen mit Behinderung begründet. In und um Chemnitz passiert diesbezüglich besonders viel, u.a. bei der städtebaulichen (Um-)Gestaltung von Chemnitz. Ebenso spiegelt sich dies darin wieder, dass das Projekt „Inklusion in Sachsen II“, welches der Freistaat förderte (eine Antwort auf die UN-Behindertenrechtskonvention), in Chemnitz beheimatet war.

 

So erschien es überaus passend, dass das diesjährige Motto, unter welchem der Werkstättentag 2016 in Chemnitz stand, „Miteinander für mehr Teilhabe“ lautete. Diese Grundeinstellung und den Einsatz für die Belange von Menschen mit verschiedensten Behinderungen oder Beeinträchtigungen konnten wir während der drei Tage in Chemnitz durchweg wahrnehmen und positiv erleben. Mehr noch spürte man teils gar eine wesentliche Identifikation mit „Inklusion“. Besonders deutlich wurde dies im Rahmen des Traumkonzerts, wo verschiedene Schulorchester (bestehend aus Schülern und Schülerinnen mit und ohne Behinderungen) ganz selbstverständlich gemeinsam mit Musikern der Robert-Schumann-Philharmonie sowie dem Gebärdenchor „Monael & Friends“ ausgewählte Musikstücke darboten.

 

Die Resonanz zum Werkstättentag 2016 war insgesamt sehr groß (mehr als 2000 Gäste). Dies war bereits im Vorfeld bei der Hotelbuchung zu merken. Für eine achtköpfige Gruppe, die wir nun einmal waren, gab es in Chemnitz schon nach sehr kurzer Zeit nichts mehr zu holen. Wir fanden stattdessen im „Lay-Haus“ in Limbach-Oberfrohna ein sehr gutes Quartier, welches die eigene Geschichte (den baulichen Ursprung) und behinderungsspezifische Anforderungen in einem angenehmen Ambiente bei Charme, Gastlichkeit und Freundlichkeit zu verbinden wusste. Die Zimmer waren wirklich gut, was nach den sehr anstrengenden - wenn auch zugleich schönen - Tagen zur Erholung und Regeneration ganz wichtig war. Der Felsenkeller direkt unter dem Hotel ist außerdem ein besonderes Highlight - einfach atemberaubend…

 

Die knapp 15 Kilometer zwischen Limbach-Oberfrohna und Chemnitz konnte man mit dem Auto recht gut bewältigen. Die schon erwähnten Umbauarbeiten in Chemnitz aber waren hierbei überaus erlebbar, sodass wir so manche Sperrung und Umleitung zu bewältigen hatten. Schlussendlich kamen wir aber an allen Tagen gut gelaunt, interessiert und motiviert an den Veranstaltungsorten an. Dazu zählten am ersten und dritten Tag die Stadthalle Chemnitz, wo die Eröffnungs- bzw. Abschlussveranstaltung stattfanden. Am zweiten Tag fand dort zudem als Abendveranstaltung das Traumkonzert statt. Während ein Teil unserer Gruppe dort den tollen Stücken lauschte, machte sich der zweite Teil unserer Reisegruppe zu den Messehallen auf, wo das Tanzbein geschwungen wurde. Bevor es abends jedoch kulturell-musikalisch losging, besuchten wir den zweiten Tag über ganz verschiedene Veranstaltungen, die allesamt in der Technischen Universität Chemnitz stattfanden. Individuell konnten wir uns im Vorfeld aus einem breiten Angebot an Veranstaltungen (ca. 80!) unsere eigenen Pläne zusammenstellen, mussten uns dabei leider aber manchmal auch gegen einen Workshop, eine Podiumsdiskussion oder einen Vortrag entscheiden, der/die uns auch noch gereizt hätten. Wie vielfältig unsere Auswahl schließlich war, zeigen die Titel der Veranstaltungen, die wir acht besucht haben:

 

AG 1:23 Ausgrenzung? Nein danke! Kein Bock auf rechte Gewalt!

AG 2:18 Vor- und Nachteile der Industrie und Arbeit 4.0 für Werkstätten

AG 3:16 „Leichte Sprache im Arbeitsleben“ (LeiSA) – Zusammenarbeit mit Menschen mit Lernschwierigkeiten in einem partizipativen Forschungsprojekt an der Universität Leipzig

AG 1:05 Auf Augenhöhe – guter Umgang von Fachpersonal und Werkstattbeschäftigten miteinander

AG 1:10 Werkstatt 2020 – Ansprüche und Erwartungen – Wie soll unsere Arbeitswelt aussehen?

AG 2:27 Werkstatt 2025 – ein Blick in die Zukunft Statements aus Gesellschaft, Wirtschaft, Kirche und Politik

AG 1:13 Möglichkeiten der Beteiligung der Beschäftigten in einer Werkstatt

AG 1:19 Der organisierte Fußballsport als Motor für Inklusion

AG 3:05 Ist das Ende der "Werkstattfähigkeit" gekommen? Eine Kostensimulation des Wunsch- und Wahlrechts.

AG 3:14 Anerkannt - Standardisiert - Praxisbaustein - Ein Instrument für die berufliche Qualifizierung in Werkstätten

AG 2:08 Mit "Rückenwind" zur neuen Werkstatt

AG 2:23 Das Werkstättenrecht nach dem Bundesteilhabegesetz (BTHG)

AG 2:29 Compliance - Nicht nur ein Thema für Banken und Industrie

AG 1:15 Was bringt die neue Werkstätten-Mitwirkungsverordnung?

AG 3:15 Berufsbezogene Bildung für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf

 

Wichtige Themen griff der Werkstättentag 2016 auf. Es wurden zudem Fragen aufgeworfen und ebenso kontroverse Blickwinkel deutlich oder konstruktiv-kritische Gespräche geführt. Wer in diesem Jahr in Chemnitz dabei war, wird 2020 wohl auch wieder dabei sein. Allen, die in diesem Jahr nicht mit von der Partie waren, können wir nur empfehlen, den nächsten Werkstättentag nicht zu verpassen. Dieser wird 2020 in Saarbrücken (Saarland) stattfinden. Zum Abschluss der diesjährigen Tage gab es dazu bereits einen sehr ansprechenden Ausblick…