Werkstatttreff 2009 der Greifenwerkstatt und Ostseelandwerkstatt

„Das Zusammenleben von Menschen mit Behinderung mit jenen ohne Handicap gilt als Leitbild der Zukunft, besonders für schwer Betroffene“. Christiane Baller wagte einen weiten Blick voraus, als sie sich auf dem diesjährigen Werkstatttreff der Greifenwerkstatt am 21. April 2009, am Helmshäger Berg zum Thema „Alles was Recht ist – Stand, Entwicklungen und Perspektiven im Sozialstaat Deutschland“, zu Wort meldete. Die sozial überaus engagierte Greifswalderin bezeichnete vor mehr als 50 interessierten Zuhörern, die Unterbringung in Heimen für schwer behinderte Menschen als irgendwann nicht mehr zeitgemäß. „Behinderte wollen für sich selbst sprechen“, betonte Christiane Baller, in der von Jana Klinger, der Leiterin des Begleitenden Dienstes der Greifenwerkstatt moderierten Veranstaltung, die am 23. April 2009 auch in der Ostseelandwerkstatt in Züssow stattfand.

 

Bei der Durchsetzung berechtigter Anliegen von Menschen mit Behinderung gegenüber Behörden, sollten sich Eltern, Angehörige und gesetzliche Betreuer, die neben den Mitarbeitern der Greifenwerkstatt zu der Diskussion eingeladen waren, nicht scheuen, die Unterstützung des Behindertenbeauftragten für M-V in Anspruch zu nehmen. „Als wir für einen schwer behinderten Jungen, der gerne in einer eigenen Wohnung leben wollte, das neue „Persönliche Budget“ beantragten, mussten wir gegen Widerstände des Sozialamtes ankämpfen“, berichtete Christiane Baller. Jedoch mit dem offiziellen Beauftragten für M-V an der Seite, habe man in der Behörde „ein richtiges Wunder“ erlebt. Seit Jahresbeginn 2008 besitzt jeder der berechtigt ist, soziale Hilfen in Anspruch zu nehmen das Recht, die ihm bewilligten Geldmittel selbst zu verwalten. In Greifswald erhalten nur vier Personen Unterstützung nach dem „Persönlichen Budget“.

 

„Sich durchsetzen, Ausdauer haben und beharrlich bleiben“, diesen Rat gab auch der Greifswalder Rechtsanwalt Mark Kischko als Referent. Der Fachmann für Sozialrecht informierte zu dem Thema „Recht haben und Recht bekommen“. „Antragsteller dürfen sich keinesfalls mit einem ablehnenden Bescheid abfinden“, empfahl Mark Kischko. Der Widerspruch, die Klage und schließlich der sozialrechtliche Wiederherstellungsanspruch seien Instrumentarien zur Durchsetzung von eigenen Rechten, so der Jurist. Mit der Realisierung des „Persönlichen Budgets“ machte er keine guten Erfahrungen: „Sämtliche Fälle unserer Kanzlei sind von den Gerichten noch nicht entschieden“, verwies der Advokat auf die nur schwerlich akzeptierte Neuerung, mit der vom Gesetzgeber Betroffenen mehr Chancen zur Selbstbestimmung eröffnet werden sollten.

 

Patientenverfügungen und Testamente waren zweiter Schwerpunkt seines Vortrages. „Jeder kann durch einen Unfall plötzlich gesundheitlich geschädigt werden, so dass er sich nicht mehr äußern kann, oder er wird sogar aus dem Leben gerissen“, mahnte der Advokat. Deshalb bevorzuge er auch heute das Motto seiner Oma: „Ich gebe lieber mit warmen Händen.“ „Denn auf dem Sterbebett sei es zu spät für die Anfertigung eines Testamentes“, riet Mark Kischko.

 

Als Vorsorgemöglichkeiten nannte der Anwalt die Generalvollmacht, die Betreuungsverfügung, die Patientenverfügung und schließlich das Testament. „Überlegen sie genau was sie wollen und besprechen sie alles mit ihrem Arzt“, diese Empfehlung gab der Jurist speziell zur Patientenverfügung. Zusammenfassend meinte Mark Kischko: „Jede Verfügung ist besser als gar keine.“

 

 

Text: Dieter Willi Bauer (Mitarbeiter Atelier)

Fotos: Mirko Waldow (Vorsitzender Werkstattrat Ostseelandwerkstatt)